Elbow

Interview

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Nachdem ihr Drummer Richard Jupp die Band verlassen hat, mussten sich Guy & Co erst daran gewöhnen, jetzt ein Quartett zu sein. Wir haben mit Frontmann Guy über das neue Album Little Fictions, seine bevorstehende Vaterschaft und neue Anfänge gesprochen. Ach ja, und darüber wie es ist, mit David Hasselhoff rumzuhängen.

Herzlichen Glückwunsch zu Little Fictions, Guy. Du bist mit dem Feedback sicher sehr zufrieden.

Ja, das bin ich wirklich. Ich sehe das auch nicht als selbstverständlich. Es ist einfach toll, wenn die Leute Spaß an dem haben, was ich erschaffen habe.

Liest du deine eigenen Reviews noch?

ch wäre gerne richtig cool und möchte nein sagen, aber doch, ich lese sie! (Lacht)
Allerdings habe ich einmal den Fehler gemacht und mich selbst gegoogelt - ich wollte mich mit einem positiven Elbow Review aufmuntern, aber leider fand ich ein schreckliches Foto von mir mit einer ellenlangen Liste an Beleidigungen… seitdem mache ich das nicht mehr! (Lacht)

Vor kurzem hast du angekündigt, dass du bald Vater wirst! Herzlichen Glückwunsch!

Das stimmt, ja! Ende März ist es soweit; ich komme quasi von der Tournee zurück und wenn Junior pünktlich ist, werde ich ein paar Tage später Vater.

Hast du Eltern-Tipps vom Rest der Band bekommen?

Ja. Ich erinnere mich noch als sie alle Väter wurden, Einer nach dem Anderen. Es war immer echt niedlich, wenn sie sich gegenseitig Ratschläge zum Thema Vater-sein gaben. Wenn man eine bestimmte Gruppe schon 16 Jahre kennt und die Gruppe sich schon das ganze Leben lang, dann hat man irgendwie einen infantilen Humor im Bezug auf diese Menschen. Dann plötzlich hat man diese sehr erwachsenen Konversationen über Kindererziehung. Das Vater-sein hat wirklich die besten Seiten in den Jungs herausgebracht; ich weiß, es klingt wie ein Klischee und ist kitschig, aber ich finde es sind noch bessere Gentlemen geworden, seitdem sie Kinder haben.

Ihr seid bekannt dafür, eine unzertrennliche Band zu sein - war es eine große Sache, dass euer Drummer euch verlassen hat?

Ja. Er ist nicht tot übrigens, er drummt immer noch für jemand anderen und unterrichtet auch, etwas, das er schon ewig machen wollte.

War Richards Entscheidung, die Band zu verlassen ein Schock?

Es war schwer, aber auch eine einvernehmliche Entscheidung. Aber klar, es war traurig und auch wenn es schon eine Weile nicht so gut lief, war es doch irgendwie trotzdem ein Schock. Wir hatten einen Writing-Trip nach Schottland geplant um den Writingprozess für dieses Album zu starten und nur einige Tage vor diesem Trip ist es passiert. Wir sind dann trotzdem nach Schottland gefahren.

Die zwei Songs auf dem Album, die in Schottland geschrieben wurden sind ‘Head For Supplies’ und das Schlusslied ‘Kindling’. ‘Kindling’ war der Arbeitstitel weil das Geräusch von fallendem Kleinholz Teil des Percussion Loops ist. Wir mussten neue Wege finden, Beats zusammenzustellen. Ein paar haben wir geklaut, einige programmiert und ein paar gesampled... und ja, so Sachen wie auf Tambourins rumschlagen und Kleinholz fallen lassen.

Ich denke in den zwei Liedern kann man die Melancholie sehr gut hören. Es war im Januar, in der Woche in der auch David Bowie gestorben ist; wir saßen am Kamin in einem Haus, das wir gemietet hatten - ein altes, großes Gebäude und selbst mit dem Feuer war es noch ziemlich kühl, also haben wir auch eine ganze Menge Whiskey getrunken.

Während dieser Woche haben wir auch entschieden, dass wir Jupp nicht ersetzen werden, einfach weil er ein zu großer Teil unserer Bandgeschichte ist. Alex Reeves (der auch auf meinem Soloalbum gespielt hat) geht mit uns auf Tour von jetzt an. Er ist vielleicht der Einzige, der diesen Job machen könnte, denn es sind große Fußstapfen, in die er treten muss. Aber sonst, ja, wir sind sonst jetzt nur noch zu viert.

Du sagtest eben diese zwei Songs seien melancholisch, allerdings ist das Album ja sehr aufrichtend und hoffnungsvoll; war das so gewollt?

Ja, doch, irgendwie schon und nicht nur wegen der Sache mit Jupp, aber auch allgemein wegen der Nachrichten. Die Leute haben 2016 als ein schlechtes Jahr wahrgenommen und sich darauf fokussiert, aber eigentlich waren die ganzen letzten zehn Jahre irgendwie angsteinflößend und wenn ich schon Angst habe, wer weiß wie der durchschnittliche britische Moslem sich fühlt. Wir leben immer mehr getrennt und es gibt immer mehr Hass-Headlines in den Zeitungen. Sehr beunruhigend. Also haben wir uns entschieden, ein schamlos optimistisches, positives Album aufzunehmen.

Das einzige Problem, das wir je damit hatten, ist, dass man sich fragt “Ist das cool?” und wir haben jahrelang versucht, cool zu sein und das ist ermüdend. In dem Moment, in dem man versucht cool zu sein, ist man es nicht.

In Sachen Lyrics warst du immer sehr ehrlich. Kommt die Inspiration immer noch von persönlichen Erfahrungen?

Ja, Vergangenheit und Gegenwart. Meine Frau ist sehr vornehm und hat nur einen nordenglischen Akzent, wenn sie mich kritisiert. Ich habe sie schon gewarnt, dass ich ihren Akzent toll finde und sie mich nicht daran gewöhnen sollte. Aber sie liest dann manchmal eine Textzeile und merkt, dass es nicht um sie geht und dann sagt sie in ihrem Akzent (übertriebener nordenglischer Dialekt) “Es geht in dieser Zeile nicht um mich, Guy.” (Lacht) Die meisten sind nämlich schon über sie. Aber sie weiß, dass die Lyrics inspiriert von allem Möglichen sind. Persönliche Erfahrungen haben etwas, dass Ausgedachtes nicht hat, eine Resonanz mit den Leuten - die merken, wenn man lügt.

Bald finden die BRITs statt. 2009 habt ihr Best British Group gewonnen, gegen Radiohead, Girls Aloud, Take That und Coldplay. Erinnerst du dich noch, wer den Award überreicht hat?

David Hasselhoff.

War das nicht ein wahrgewordener Traum, David Hasselhoff zu treffen?

Wenn du mir als ich neun Jahre alt war gesagt hättest, dass mir Michael Knight mal einen Musikpreis überreichen würde, hätte ich dir niemals geglaubt. Ich habe allerdings einen riesigen Fehler begangen.

David Hasselhoff hatte Probleme mit Alkoholsucht und ich habe ihn gefragt, ob er ein Bier mit mir trinken will. Das kam sicher wie so ein A****loch Rockstar-Gehabe rüber, aber ich wollte ihn wirklich aufrichtig auf ein Bier einladen, wusste von dem Alkoholproblem damals nichts!

Er war sehr großzügig - in Showbiz-Kapazität. Danach, kurz bevor wir live gingen in einem Wohnmobil mit Fearne Cotton fragte er “Wann spielt ihr das nächste Mal live?” und als Fearne anfing uns zu interviewen, meinte er mit lauter Stimme “Ich guck’ mir diese Jungs nächste Woche in der Brixton Academy an!” Er hat uns richtig oldskool etwas Showbiz-Werbung gegeben. Also in meinen Augen kann er nichts falsch machen. Und natürlich hat er auch die Berliner Mauer zum Fallen gebracht, nicht wahr?

Woran kannst du dich noch von dieser Nacht erinnern?

Ich hatte den totalen Streit mit meiner Freundin und hatte mir Champagner mit Erdbeeren und Sahne bestellt, die ich dann ganz alleine gegessen habe, während sie neben mir lag. (Gackert) Wie ein trauriger Blödmann. Achja, ich habe auch noch etwas mit Take That rumgehangen.

Ihr habt einen BRIT und den Mercury Preis gewonnen. Was ist sonst noch so auf der Bucket List?

Auf der der Schlussfeier der Olympischen Spiele zu performen war definitiv der größte Auftritt, den wir je hatten.
Ich hätte nie gedacht, dass wir jemals vor einer Milliarde Menschen spielen würden. Erste Band auf dem Mond vielleicht? Sowas in der Art. Es gibt noch ganz viele Dinge, die ich tun will. Seine Helden treffen, oder sogar Leute, die nicht deine Helden sind. Ich habe Lars Ulrich kurz getroffen, als wir für U2 die Shows eröffnet haben und ich bin gar kein Metallica Fan, aber irgendwie bin ich doch einer, weißt du? Seit ich den Film “Some Kind Of Monster” gesehen habe.

Es ist die unverblühmteste Dokumentation über Adoleszenz in erwachsenen Männern, die ich je gesehen habe. Ich kann kaum glauben, dass sie die Veröffentlichung erlaubt haben, es bedient jedes Rockstar Klischee, aber auf Anabolika. Ich gucke es mir mindestens einmal im Jahr an. Als ich Lars traf, wusste er glaube ich sofort, dass ich eher einer seiner ironischen Fans war und kein richtiger Hardcorefan. Vielleicht hatte das etwas damit zu tun, wie ich “LARS! NO WAY!” mit einem riesen Grinsen zu ihm sagte. Er antwortete “How you doin’?” und ging weiter.

Eure UK Tour geht vom 26 Februar bis Ende März. Ist es das erste Mal, dass ihr die neuen Songs live spielt?

Ja, sonst hatten wir nur Fernsehauftritte bisher!
Es ist auch das erste Mal, dass wir ohne Jupp als Drummer auftreten. Es ist schon aufregend. In den Proben klingt es soweit jedenfalls sehr gut! Es klingt wahrscheinlich wie ein Klischee und so Showbiz wie der Hoff, aber es ist einfach schön mit alten Freunden Auf Tour zu gehen. Es ist toll.

Was sind eure Pläne für den rest des Jahres 2017?

Wir spielen viele Wald-Shows im ganzen Land. Wenn ihr noch nie auf so einem Outdoor-Event wart, dann kann ich nur sagen, dass sie toll sind! Zieht euch warm an und bringt einen Flachmann mit. Es ist auch toll für Kinder, die können herumlaufen. Und wenn der Himmel klar ist, ist es einfach ein magisches Event. Also ja, wir haben die Tour im März, Festivals im Sommer und ja, zwischendrin werde ich Vater!

Ist Glastonbury teil dieser Festivalpläne? Das ist ein besonderes für euch, oder?

Da ich so ein junges Baby haben werde, weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich es dieses Jahr aufs Glastonbury schaffe. Das ist ungewöhnlich für mich, denn eigentlich sind wir immer da, wenn wir nicht spielen.
Unsere Musik hat sich durch Glastonbury sehr verändert.

Lustigerweise hat der Gesang am Ende von ‘Grace Under Pressure’ den Titel Cast Of Thousands inspiriert. Das war das erste mal dass die Leute mitgesungen haben und ich dachte “Hey, ich sollte mehr Songs schreiben, bei denen die Leute mitsingen können”. Wir hätten sonst nie ‘One Day Like This’, geschrieben und ohne den Song hätte ich nicht so ein gemütliches Zuhause! (Lacht)

Februar 2017