Deaf Havana

Interview

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Vier Jahre und einige finanzielle Schwierigkeiten später sind Deaf Havana zurück und im Gepäck haben sie ihr neues Album "All These Countless Nights". Frontmann James Veck-Gilodi hat uns erzählt wie wie Band fast auseinandergebrochen wäre und wie genau es zu dem ambitionierten neuen Album kam.

Old Souls war ein Top 10 Album und man hatte das Gefühl, dass ihr echt ein Moment hattet – Wie kamt ihr zu der Entscheidung, eine vierjährige Pause einzulegen?

Ja, es hat sich schon so angefühlt, aber wir wussten nicht so richtig, was da hinter den Kulissen los war, wenn du verstehst was ich meine? So von außen betrachtet schien alles super, es sah so aus, als würden wir Geld verdienen, als würden wir aufsteigen in der Szene. Aber in Wirklichkeit, hinter der Fassade hatten wir krasse Schulden. Es gab da einfach einige Dinge, die uns total überrumpelt haben. Wir haben nicht eines Tages entschieden „Oh, lass uns eine schöne Pause machen, wir haben genug!”. Wir hatten uns gerade von einigen Teammitgliedern getrennt und mussten feststellen, dass Vieles verheimlicht wurde. Es gab damals einfach kaum Kommunikation zwischen uns und unserem damaligen Manager, was dazu geführt hat, dass wir Unmengen an Geld verloren haben. Wir mussten also quasi nochmal ganz von vorne anfangen.

Das war sicherlich hart. Wir habt ihr das Ganze gelöst?

Na ja, anfangs wussten wir gar nicht, was wir machen sollten und sind ein wenig ausgetickt. Dann haben wir einige große Konzerte gespielt und uns quasi nichts mehr selbst bezahlt, sodass wir das Geld in die Schuldentilgung packen konnten, einfach damit das Bankkonto der Band wieder bei null steht. Als das geschafft war, wollte ich echt aussteigen, ich war total desillusioniert. Aber dann haben wir 2014 Reading & Leeds (Festival) gespielt und da merkte ich wieder, wie sehr ich es liebe, in einer Band zu spielen.
Während der Pause habe ich dann einige Songs geschrieben und dachte mir dass es wohl besser wäre, diese nicht zu verschwenden. Ich habe es einfach vermisst, Musik zu machen. Wir waren auch gar nicht zerstritten oder so, aber es wurde zwischen uns allen etwas merkwürdig, weil wir alle in verschiedene Richtungen gingen. Ich habe eine Weile nicht mehr mit ihnen geredet. Ich habe mein Solo-Zeug gemacht. Das ist einfach passiert – nichts davon war geplant.

Wer hat denn dafür gesorgt, dass Deaf Havana wieder zusammen kommt?

Also ich denke das haben wir eigentlich zusammen entschieden. Ich habe eine Solo-Tour gespielt, ich glaube das war 2015? Da hatte ich einen Song namens ‘Cassiopeia’ geschrieben und auch eine Demo aufgenommen, aber es war eigentlich ein Song für ein Full-Band Setup. Ich habe es herumgeschickt und gesagt „Ich hab diesen Song geschrieben. Wenn ihr Bock habt was damit zu machen, dann bin ich dabei!“. Alle haben den Song geliebt und da war dann dieser Funke, der dafür gesorgt hat, dass wir wieder miteinander geredet haben. Wir haben angefangen wieder zusammen Musik zu machen und von dort an kam alles zusammen.

Ist das so der normale kreative Vorgang bei euch – du schreibst einen Song und die anderen motzen ihn auf?

Ja, so ziemlich ist das. Andere Bands schreiben zusammen, aber das hat für uns nie so wirklich funktioniert, weil wir alle ziemlich weit voneinander entfernt wohnen. Also habe ich nur ein ziemlich schlechtes Recording-Programm auf meinem iPad und nehme da Demos auf uns schicke sie rum. Ich mache quasi das Fundament des Songs und die anderen bauen darauf auf.

Was war das Ziel für All These Countless Nights?

Ich glaube es gab keine richtigen Vorstellungen. Wie gesagt, wir waren uns gar nicht sicher, ob wir ein Album schreiben würden. Bei OId Souls war ich extrem fokussiert auf einen Americana/Bruce Springsteen Sound, aber bei diesem hier, nein, da habe ich alle Songs zu so verschiedenen Zeiten geschrieben, ich hatte einfach keine Angst das alles auf die Platte zu packen. Es ist daher sehr vielfältig, weil so viel drauf ist, was normalerweise verworfen worden wäre. Der Vorgang war einfach sehr natürlich und nicht maßgeschneidert in eine Richtung.

Welche Songs werden Langzeitfans überraschen?

Ein Song namens ‘L.O.V.E.’ – der ist härter als sonst und halt elektronische Züge. Sowas passt eigentlich gar nicht auf eines unserer Alben. Dann gibt es da noch ‘Pretty Low’, da weiß ich selbst nicht mal welches Genre das ist, total bizarr. Aber ich bin echt stolz auf das Album. Ich weiß, das sagen immer alle, aber es ist wirklich so, vor allem weil so viel davor passiert ist und wir nicht mal wussten, ob wir noch weitermachen wollen. Ich bin sehr, sehr stolz auf das Album und will alles da reinstecken.

Kannst du uns mehr über den Albumtitel erzählen?

Ich habe ewig gebraucht, um mir einen Albumtitel auszudenken. Einer der Songs heißt ‘Happiness’ und ist wahrscheinlich mein Favorit auf dem Album und in dem Song gibt es diese Textstelle “All these countless nights”. Das ist irgendwie hängen geblieben. In den Songs geht es jeweils darum was in einer Nacht passiert ist, an die man sich nicht erinnern kann.

Es gibt da eine sehr aussagekräftige Textzeile in “Happiness” die lautet “It’s a degenerate disease / It eats away at everything.” Kannst du uns etwas zur lyrischen Inspiration sagen?

Ja, in dem Song geht es um das Gegenteil vom Glücklich-sein. Es geht darum, wie ich irgendwie immer einen Weg finde alles kaputt zu machen. Mein Gehirn ist wie geteilt, ein Teil erlaubt es mir, mich niederzulassen, ein normales Leben zu führen, aber dann ist da der andere Teil, der einfach die Kontrolle übernimmt und mich dazu bringt, mich anders zu verhalten. Ich weiß nicht, ich halte es irgendwie nicht lange aus, wenn mir gute Sachen passieren…

Was hast du über dich selbst gelernt, während du dieses Album aufgenommen hast?

Ich habe festgestellt, dass ich auf jeden Fall noch nicht bereit dazu bin, mit der Band aufzuhören. Ich war mir sicher, dass ich das bin, dachte mir „Okay, das war’s mit der Musik. Ich hab da keine Lust mehr drauf…“ Aber wir sind gerade von einigen Tourneen wiedergekommen und wir haben besser denn je gespielt. Ich habe gelernt, dass aus dieser Band noch etwas werden soll und dass wir noch nicht aufgeben sollten.

Was hättest du denn statt Deaf Havana gemacht?

Ich hätte wahrscheinlich trotzdem weiter Musik gemacht, weil ich nichts anderes kann. Ich habe viele Solo-Songs und die sind fertig, aber wer weiß wie erfolgreich das geworden wäre. Einer dieser Songs ‘Settle’ ist sogar auf dem Album.

Wenn du zurückblickst – wie hat deine Motivation sich verändert verglichen mit 2008 als ihr angefangen habt?

Meine Motivation? Ich glaube als ich angefangen habe, wollte ich es einfach nur so zum Spaß machen. Ich dachte es wäre cool live zu spielen mit ein paar Freunden. Dann wurde ich süchtig nach diesem bizarren Lifestyle in dem man dauernd weg ist und viel trinken kann… Dann hatte ich so eine Phase, in der ich überhaupt nicht mehr in einer Band sein wollte und in der ich alles hasste. Ich glaube ich bin einmal quasi im Kreis gegangen, denn jetzt bin ich wieder an dem Punkt, an dem ich einfach Spaß daran habe, mit meinen Freunden Musik zu machen. Das klingt vielleicht lame, aber es ist so. Ich will einfach wieder Spaß haben.

Das Tour-Leben muss so verwirrend sein.

Ist es echt. Es ist merkwürdig. Wenn du gegen diese Art von Lifestyle ankämpfst, hasst du es. Man muss da echt gemacht für sein, sonst will man die ganze Zeit nach Hause. Um ehrlich zu sein, bin ich auch nicht so richtig der Tour-Mensch.

Aber wir nehmen an, dass das der Plan für 2017 ist? Tourneen und Festivals?

Ich glaube wir haben noch keine Festivals in Aussicht. Aber touren werden wir viel, ja. Also so ziemlich werden wir das tun, was wir sollten und lange nicht mehr gemacht haben. Wir haben jetzt ein ganz neues Team um uns herum und wir sind einfach in einer viel besseren Position, mental wie auch sonst und ich glaube dieses Album ist das beste, das wir je gemacht haben. Ich will einfach, dass wir wieder eine Band sind. Ich will das machen, was wir die letzten drei Jahre hätten machen sollen. Wenn wir das schaffen, bin ich glücklich.

Zu guter Letzt: Wenn du einer jungen Band heute einen Rat geben müsstest, welcher wäre das?


Also, entweder gar keine Band zu starten, weil es unendlich schwer ist, damit Geld zu verdienen. Oder es nur aus den richtigen Gründen zu tun. Sich nicht in den falschen Dingen zu verirren. Ehrlich sein und es nur tun, weil man Musik machen will.

Januar 2017