The Maccabees

Interview

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"Schwierig" und sogar "traumatisch" beschreiben The Maccabees den Entstehungsprozess ihres neuen Albums gegenüber der englischen Musikbibel NME. Offensichtlich war der Weg steinig, wurde doch der Veröffentlichungstermin um ganze zwei Jahre nach hinten verlegt. Was der Band rund um Sänger Orlando Weeks solche Kopfzerbrechen bereitet hat und warum "Marks To Prove It" trotz allem ihr bis dato bestes Album ist, erzählt er uns im Interview.

Hi Orlando! Wie fühlst du dich so kurz vor der Albumveröffentlichung?

Ich bin aufgeregt, aber nicht wie ein 10-jähriger zu Weihnachten, es fühlt sich etwas taub an, um ehrlich zu sein. Eigenartigerweise habe ich das Gefühl wir waren noch nie so vorbereitet [für einen Album Release] wie dieses Mal. Ich war ständig nervös als wir das Album gemacht haben aber jetzt ,die ganze Vorbereitung zur Veröffentlichung war entspannt, weniger panisch. Es hat sich um ehrlich zu sein wie eine Ewigkeit angefühlt. Also ja, ich freue mich wenn es endlich in den Läden steht.

"Marks to Prove it" hat länger gedauert als eure anderen Platten, was ist passiert?

Ja. Wir haben angefangen und dachten wir haben das Ganze in acht Monaten im Kasten. Aber nach sechs wurde uns plötzlich bewusst, dass wir nicht glücklich sind mit den Songs die in der Zwischenzeit entstanden sind. Das hat uns den Wind aus den Segeln genommen und wir mussten das Album neu aufbauen und von vorne anfangen.

Denkst du das liegt am Erfolg von "Given To The Wild"? Hattet ihr Angst den Erwartungen anderer Leute nicht gerecht zu werden?

Natürlich ist einem das bewusst, gleichzeitig ist ein Grund warum wir als Band zusammengeblieben sind auch die Tatsache, dass wir uns niemals wiederholen wollten. Und das haben wir geschafft, hoffentlich. Wir versuchen das bei jedem Album und versuchen etwas Neues und interessantes zu schaffen - uns schlicht weiterzuentwickeln.

Was war also der Startschuss zu der Albumversion von "Marks To Prove It" wie wir sie heute hören können?

Wir sind keine Band die sich hinsetzt und sagt "Okay was machen wir jetzt? Was ist der Plan?" Wir müssen alle Möglichkeiten ausprobieren, wir tüfteln ewig herum, nehmen Stückchen auf und nach zwei Jahren Arbeit präsentiert sich vielleicht etwas von selbst.

In einem Interview mit dem englischen "New Musical Express" beschreibt ihr euer Album als Reise "vom Tag in die Nacht und wieder zum Tag". Wann war der Punkt in der Entstehung des Albums erreicht wo ihr das realisisert habt? Ab wann gab es eine Art Ablaufplan für das Album?

Als wir begonnen haben erste Songs aufzunehmen haben wir realisisert, dass alles nachts besser klingt und das hat uns geholfen herauszufinden welche Songs wir wirklich fertigstellen wollten. Diese Typen-Fragen gaben uns eine gewisse Struktur zum Ende hin.

War der kreative Prozess anders als bei eurem Vorgänger Given To The Wild?

Naja, man will auf keinen Fall die selben Fehler wieder machen. Nach den ersten acht oder neun Monaten in den wir an diesem Album gearbeitet haben, hatten wir den Eindruck das Album klingt einfach ZU üppig. Unser letztes Album war schon sehr üppig, vielschichtig und ein bisschen over the top, daher konnten wir es auch nicht wirklich live umsetzen, was wir sehr schade fanden - deshalb wollten wir das bei "Markes To Prove It" vermeiden und es bewusst reduzieren.

Dieses Album wirkt eher als wäre es aus "einem Guss", es trägt diese bestimmte Atmospähre besser als irgendetwas das wir bisher gemacht haben. Wir wollten diese Atmosphäre ohne Hall-Effekten, 12 verschiedenen Gitarren Ebenen und dreifach überlagernde Gesangsparts erzeugen. Wir haben versucht sehr streng mit uns zu sein um nicht in alte Muster zu verfallen.

Stimmt es das ihr dieses Album erstmals in eurem eigenen Studio aufgenommen habt?

Ja genau, unser Studio ist direkt in London bei Elephant & Castle. Wir haben es vor ca. fünf Jahren gefunden es wurde als Bürogebäude beworben aber wie der Zufall es will wurde es eigentlich als Studio gebaut, also gab es eine integrierte Lärmdämmung. Wir haben ein bisschen recherchiert und wir haben herausgefunden das es früher das "Jesus and Mary Chains" Studio war in den 80igern, vermutlich auch von ein paar anderen Leuten. Es war in einem furchtbaren Zustand mit toten Ratten und das einzige Ding das noch mehr oder weniger übrig war, war ein altes Klavier. Wir haben es reparieren lassen und es für unser Album benutzt, es wurde ein wichtiger Charakterzug. Hm ja, es ist irgendwie unser Zuhause geworden.

Es war ein fantastischer Luxus aber gleichzeitg ging auch viel Zeit für andere Dinge drauf, weil man keine Zeitvorgaben hat und solange arbeiten kann wie man will. Als Band brauchen wir immer ewig um Entscheidungen zu treffen und plötzlich hatten wir einen anderen ziemlich guten Grund keine ordentlichen Entscheidungen zu treffen (lacht) Aber ohne dem hätten wir das Album nicht machen können.

Inwiefern?

Wir wollten das es echt kingt, wie eine Band die in einem Raum aufnimmt, ohne überlagerten Firlefanz. Wir fünf hätten das alleine nicht geschafft also haben wir Polly [Mackey] und Rebekah [Raa] eingeladen um zu singen oder Klavier zu spielen - Leute die wirklich Klavier spielen und nicht so wie ich, Hugo oder Felix die zwar am Piano schreiben aber den Möglichkeiten des Instruments nicht gerecht werden. Wir haben es uns zur Regel gemacht, dass wir das ganze überarbeiten müssen wenn wir es im Studio nicht hinbekommen, eventuell auch mit anderen Instrumenten.

Wie hat sich Laurie Latham in den Prozess eingefügt?

Er kam während des Schreibprozesses hinzu, als wir im Grunde noch versuchten herauszufinden ob einer unser Songentwürfe gut genug ist um ihn aufzunehmen oder ob wir schon wieder acht Monate vergeudet haben. Ich glaube unser Selbstbewusstsein hat zu dieser Zeit sehr gelitten. Wenn wir nur zu fünft sind verlieren wir die Perspektive. Laurie war sehr ehrlich, und er hat uns klar gesagt wenn er Ideen nicht gut fand und uns aber auch ermutigt ein paar Schritte zurückzugehen um zu sehen von welcher Grundidee wir eigentlich gestartet sind. Er war bemüht uns neu zu motivieren.

Auf dem Album gibt es ein Thema das immer wieder auftaucht, zB bei "River Song" oder "Slow Sun", nämlich die Idee älter zu werden aber nicht zwingend klüger.

Bei "River Song" habe ich mir eine Reihe Leute vorgestellt. Ich kann nicht mehr sagen wer genau, aber es war nicht aggressiv, es war sehr traurig. Es hat mich an Freunde erinnert die Fehler gemacht haben, genauso wie ich natürlich. Es ist eine schöne Vorstellung, dass man die selben Fehler nicht zweimal begeht, aber traurigerweise glaube ich das geht nicht.

Gibt es für dich andere übergreifende Themen die die Songs verbinden?

Ich wollte das dieses Album sehr direkt und unkompliziert ist. In "Slow Sun" singe ich von "ordinary drawing" und ich denke das war ein großer Teil davon. Es kann komplett lokal sein und trotzdem konnten sich Themen herausheben, es hab also immer noch Potenzial für romantische Statements ohne übertrieben zu sein.

London war ein deutliche Einfluss eures Albums - das Cover ist ein Foto des Elephant & Castle Kreisverkehrs...

Ja, ich denke alles lässt sich ein bisschen an Elephant und Castle festmachen. Wir waren total erleichtert als wir dieses Foto gefunden haben. Wir sind so oft daran vorbeigelaufen aber als wir dieses Foto dann in Händen hielten bekam es plötzlich eine ganz andere Relevanz. Ich weiß auch nicht, es [das Foto] ist ein Mix aus Hollywood und irgendwie auch etwas Ernstem und doch ist es am Ende einfach dieser Kreisverkehr in Elephant & Castle. Für mich fasst es das Album irgendwie zusammen.

Was steht 2015 (und darüber hinaus) noch auf dem Plan?

Hauptsächlich touren, wir möchten das Album vor sovielen Leuten wie möglich spielen. Und das ist es dann auch. Momentan ist es schwer an ein neues Album zu denken oder darüber hinaus, aber ich fände es toll etwas zu machen, dass diesen Komfort und dieses Zugehörigkeitsgefühl vermittelt wie es meine Lieblingsplatten tun. Aber ich habe das Gefühl das ist vermutlich unmöglich.

Ihr macht seit 12 Jahren gemeinsam Musik, was hält euch noch immer zusammen?

Wenn man versucht etwas zu schreiben und plötzlich hat man eine neue eigenständige Idee - diesen Moment liebe ich nach wie vor. Ich glaube in der Zwischenzeit geht es mir besser damit, anfangs fand ich das sehr frustrierend, wenn man ständig tüfelt aber dieser AHA Moment nicht einsetzt. Um ehrlich zu sein finde ich es noch immer frustrierend...Man muss diese kleinen Momente wertschätzen. Und ein großer Teil ist einfach der Versuch den Spaß an dem ganzen nicht zu verlieren.

Juli 2015