Marika Hackman

Interview

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Während sie irrtümlicherweise in die Folk-Singer Schublade gesteckt wurde, übertrifft Marika Hackmann die Erwartungen an ihr Debütalbum. Mit uns spricht sie über den kreativen Prozess hinter We Slept At Last, und erklärt uns warum sie sich sich nicht auf den Druck der Musikindustrie einlässt um sich langfristig zu etablieren.

Wann hast du begonnen dich für Musik zu interessieren?

Mit den Klavierstunden hab ich sehr früh begonnen, da war ich noch im Kindergarten. Meine Eltern dachten wenn ich Keyboard spielen kann und weiss wie man Noten liest würde das mir eine gute Basis für mein musikalisches Verstaendnis bieten, aber ich bin ganz schlecht im Noten lesen. Später hatte ich auch Unterricht für Bass Gitarre und Schlagzeug. Meine Eltern sind sehr musikalisch, wir hatten immer Musik auf Anschlag laufen zu Hause – großartige Platten von Grace Jones, Stevie Wonder, Joni Mitchell und Simon und Garfunkel.

Wann hast du begonnen selbst Musik zu schreiben?

Das hab ich eigentlich immer gemacht – mit irgendeinem Instrument das grad zur Verfügung stand. Selbst als ich noch ganz klein war hab ich mir schreckliche kleine Songs ausgedacht und sie auf dem Klavier gespielt. Mit 14 hab ich begonnen mir selbst Gitarre beizubringen, und da begann es auch dass ich komplette Songs geschrieben hab. Je besser du ein Instrument beherrscht umso selbstbewusst gehst du auch an einen Song heran. Als ich 17 geworden bin hab ich das Songwriting auch viel ernster genommen als früher.

In den letzten zwei Jahren hast du ein „Mini Album“ mit sieben Songs veröffentlicht, zwei Eps mit vier Songs und jetzt ein komplettes Album. Gehen dir Songs leicht von der Hand oder hast du einfach eine sehr disziplierte Art zu arbeiten?

Ich empfand mich eigentlich nie als wahnsinnig produktiv. Ich fand es immer sehr stressig Songs zu schreiben, ich hab mich immer unter druck gesetzt gefühlt und dann hatte ich sofort das Gefühl ich schaff es nicht. Als ich begonnen habe am Album zu arbeiten wollte ich keine alten Songs verwenden - das heißt ich habe mich hingesetzt und sehr hart an neuem Material gearbeitet. Und auch realisisert dass ich genauso arbeiten kann, Inspirationen muessen nicht zwingend vom Himmel fallen und ich muss nicht immer auf etwas „ausserhalb meiner Kontrolle“ waren. Also ja, ich saß einige Monate in meinem Zimmer und habe jeden Tag von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr Abends - mit einer Mittagspause – am neuen Album gearbeitet. Ich fand es aber sehr angenehm ein bisschen Struktur in meinen Tag zu bringen.

Wann fiel der Startschuss für das Album? Gibt es einen Song der den Ton angab?

Die ersten Demos für das Album waren sehr reduziert – im Endeffekt nur Gitarre und Vocals und Harmonien – ich hab mit mehreren Leuten zusammengewohnt und wollte nicht unbedingt das Schlagzeug auspacken und los legen. Als wir ins Studio gingen haben wir mit „Drown“ begonnen, obwohl es der letzte Song war den ich geschrieben habe, es war fast eher ein Unfall. Es hat sich einfach frisch und aufregend angefühlt und im Endeffekt wurde es der Opener für das Album. Es hat diesen „Tür-öffnenden“ Vibe den ich gern mag, es fühlt sich an als würde man in den Kaninchenbau fallen wie Alice im Wunderland.
Aber ich hatte nie einen allgemeingültigen „Ton“ für das Album im Kopf. Wir haben das Album genauso behandelt wie die EP, jeder Song wurde heruntergebrochen und wieder aufgebaut. Es war immer extrem wichtig zu wissen wann man aufhören muss, weil ich wollte auf keinen Fall, dass die Songs zu überproduziert oder überladen werden.


Du hast mir vorher erzählt, dass du ziemlich frustriert warst dass dich jeder in diese „Folk“ Schubalde stecken wollt. Da du wahnsinnig viele Instrumente auf deinem Album verwendest haben wir uns gefragt ob du vielleicht bewusst überraschen wolltest?

Nein, aber ich freue mich wenn ich es tue. Es klingt vielleicht ein bisschen abgedroschen aber das Songs schreiben ist so ein natürlicher Prozess für mich, dass ich nicht sehr „objektiv“ darüber nachdenke. Es ist mehr eine Art wie ich mich durch einen dunklen Raum tapse. Aber ja es gibt auf jeden Fall verschiedene Stile auf dem Album – „Open Wide“ ist zum Beispiel sehr grundgy.
Ich habe zum Beispiel das Gitarrenriff dafür ganz zu Beginn geschrieben, was sehr untypisch für mich ist – normalerweise schreib ich einfach alles auf einmal. Aber in dem Fall hab ich dieses wirklich cool Riff gschrieben, und es hat sich für mich angefühlt als bräuchte es dafür einen sehr grundyigen Song – mit den launischen Pedalen im Refrain und diese kratzigen Drums im Hintergrund. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Songs wie „Claudes Girl“ mit akkustischer Gitarre und Gesang. Es macht mir Spaß mit Genres zu spielen, und ich denke meine – ungeschulte Stimme – hält das Album zusammen und macht es „zu einem Ganzen“.

Es sind einige ungewöhnliche Sounds und Gitatteneffekte auf dem Album – auf Skin zum Beispiel.

Ja die Gitarre geht durch ein POG Pedal – deshalb klingt es ein bisschen wie eine Orgel. Das ist eines meiner Lieblingsspielsachen. Das hab ich sogar in meinem Kinderzimmer bei meinen Eltern in Devon aufgenommen. Wir haben viele Sachen vom eigentlichen Demo übernommen und nur die Hauptgitarre nochmal überarbeitet um sie schöner klingen zu lassen. Du kannst den Sound des Zimmers bei jeder Trommelschlag hören.

Du spricht viel von „euch“ – also dir und deinem Produzenten Charlie Andrew. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Im Endeffekt habe ich ein paar Demos geschickt die für das Mini Album gedacht waren und hab ihn einfach gefragt ob er Lust hast mit mir zu arbeiten – glücklicherweise hat er ja gesagt, und jetzt arbeiten wir schon seit zwei Jahren zusammen!
Er hat mit Alt J für ihr erstes Album zusammengearbeitet und ich fand das klever. Und ich habe schon geahnt das Leute mich in dieses „Folk Mädchen“ Eck drängen werden also war es cool mit jemanden zu arbeiten der einen abstrakteren Zugang zu Musik hat. Ich hätte mich mit einem Produzenten zusammensetzten können und hätte Dinge gesagt wie „Okay, lass uns hier noch eine Akkustikgitarre dazunehmen, und hier noch ein paar Streicher“ oder was auch immer um dieses nette kleine Folk Album zu machen – und das ist einfach genau das was ich niemals wollte.

Es musst sehr frustrierend sein staendig gegen dieses Klischee anzukämpfen ...

Anfangs war es schwer, vor allem weil ich noch wenig veröffentlicht hatte, aber es wird jetzt weniger. Es wird immer Leute geben die eine bestimmte Meinung über dich haben – Leute die dich anders sehen als du gerne gesehen werden willst , man braucht einfach eine dicke Haut und muss sich auf die Dinge konzentrieren die man tut und sicher gehen dass man selbst glücklich damit ist.

Vom den Texten her scheint es als gäbe es eine Art unterschwellige Aggression – es erinnert an Angela Carters Texte

Ja düster, ein bisschen wie ein Märchen. Ich bezieh mich gerne auf die Dinge die jeder als so eklig empfindet: Blut, Wasser, Fleisch, Knochen und Haut. Ich glaube man kann eine wirklich intensive Bildsprache erschaffen wenn man über die spricht mit denen jeder etwas anfange kann.
Vieles auf diesem Album ist neu für mich, es liegt eine Freiheit in meinem Texten die ich so vorher noch nicht hatte. Ich verstecke mich nicht mehr hinter abstrakten Texten, ich bin ehrlicher. Das merkt man auch in den Gitarrenparts - auch die sind viel freier. Früher war ich viel pingeliger wenn es um Songs ging – ich hab mich auf jeden Fall geöffnet. Diese Sicherheit kommt auf jeden Fall weil ich besser mit meinem Instrument umgehen kann und ich einfach auch ein anderes Mindset habe – das kam enfach mit dem älter werden, vom Zuhause ausziehen und all diesen Dingen.


Wir können also davon ausgehen dass dein Album anders klingen würde wenn du es vor zwei Jahren aufgenommen hättest? Hast du dir absichtlich die Zeit gelassen um dich als Songwriter weiterzuentwickeln?

Ja 100%! Wenn ich mir jetzt die Musik anhöre die ich vor zwei Jahren aufgenommen habe, bin ich nicht peinlich berührt aber ich finde sie sind charmant in der Art und Weise wie naiv sie ist. Aber es ist auch einschüchterned wenn ich daran denke was gewesen wäre wenn ich mein Debüt schon damals veröffentlicht hätte –das hätte die Musik sein können mit der ich mein restliches Leben verbunden werde. Es war sehr wichtig für mich diese zwei Jahre Zeit zu haben um verschiedene Sounds auszuprobieren, neue Produktionsweisen kennen zu lernen, als Songwriter zu wachsen, und sich erst dann hinzusetzen um ein anständiges Album in voller Länge aufzunehmen. Ich glaube das war genau richtig so ich bezweifle das ich jemals zurück blicken werde und mir denke Oh Marika, was hast du da gemacht?

War der Wunsch nach dieser Zeit auch der Grund warum du bei einem Independent Label unterschrieben hast?

Definitiv. Mir wurden Verträge von Major Labels vor die Nase gehalten wo genau drin stand wie ich zu arbeiten habe, mit welchen Produzenten und ich wusste es wird mit ständig jemand über die Schulter blicken wenn ich im Studio bin. Mein jetziges Label, Dirty Hit, hat mir erlaubt genau das zu tun was ich wollte, niemand kam ins Studio um sicher zu gehen dass wir auch wirklich eine 3:20 Minuten Single produzieren.
Ich finde es ist wahnsinnig erfrischend, dass sie ihren Künstlern das erlauben – das musst du auch. Diese Industrie ist eine solche Maschine, die ständig nur Dinge veröffentlicht von denen sie auch wissen dass sie in den Köpfen der Leute bleiben. Ich denke wir brauchen Künstler denen es erlaubt ist einfach mal mit Ideen herumzuspielen und neue Dinge auszuprobieren.
Veränderung ist für jeden beängstigend aber es ist notwendig an die Grenzen zu gehen und neue Sounds zu schaffen. Es gibt soviele Alben die auf den ersten Moment schwer zugänglich wirken, wie zB das Debütalbum von Alt J – aber dann hört man es ein paar mal und bemerkt wie großartig es ist.

Das sind manchmal auf die beständigsten Alben

Exakt. Man hört sie immer und immer wieder an und sie werden nie langweilig weil sie einfach wahnsinnig viel hergeben. Ich habe das Gefühl jeder hat soviel Angst einem Künstler die Zeit zu geben die er braucht – jeder muss bereits bei der ersten Veröffentlichung sehr gut sein. Es ist mir um ehrlich zu sein ziemlich egal wie mein Album in den Charts performed. Ich hoffe dass sich der Hörer denkt es klingt anders, und hoffentlich erfrischender als die Musik die man momentan so findet. Ich hoffe die Leuten hören es sich mehr als nur einmal an um all die verschiedenen Aspekte zu erforschen um es langsam wachsen zu lassen. Was auch immer passiert ich weiss ich hab mich in diesem Album selbst reflektiert und habe die Zeit noch ein Album und noch eines zu machen. Ich habe nicht vor mit der Musik in naher Zukunft aufzuhören das heißt ich habe wirklich keinen Stress.

Februar 2015