You Me At Six

Interview

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Drei Jahre nach Erfolgsalbum Cavalier Youth sind You Me At Six zurück mit dem Nachfolgewerk, das mit dem Produzenten von Kings of Leon aufgenommen wurde. Wir haben mit Frontmann Josh Franceschi am Telefon über “Night People”, strengere Richtlinien beim Konzertkarten-Weiterverkauf und das Überleben in der Musikindustrie gesprochen.

Können wir erst mal über deinen Besuch im Parlament sprechen, bei dem du über Webseiten diskutiert hast, die Konzertkarten weiterverkaufen. Wie bist du da genau involviert?

Also - wir haben vor kurzer Zeit eine Show in Camden (London) gespielt. Nach Ankündigung war diese nach etwa zehn Minuten ausverkauft - das ist ansich super, aber leider haben wir online viel Rückmeldung von unseren Fans bekommen, das ganz viele Tickets schon auf diesen Weiterkaufseiten zu finden waren - für viel mehr Geld. Ich dachte mir “Irgendjemand wird sicher etwas dagegen tun wollen?” Und dann wurde klar, dass dem nicht so war. Ich habe aber einen MP (Member of Parliament = Abgeordenten) gefunden, Nigel Adams, mit dem ich durch einen gemeinsamen Bekannten in Kontakt getreten bin, um herauszufinden, was wir zusammen gegen diese Webseiten unternehmen könnten. Er hat mir dann erzählt, dass er schon eine Petition gestartet hat, die Unterschriften für die Schließung solcher Seiten sammelt - Seiten, die quasi wie Bots Tickets kaufen, nur um sie direkt teuer weiterzuverkaufen. Die Petition hat circa 85000 Unterschriften, aber die Medienpräsenz unserer Aktion hat das ganze dann auf Parlamentsebene gehoben.

Einfach gesagt - Ich bin da hingegangen und saß dann vor einem ausgewählten Komitee mit der FanFair Alliance und dort haben wir unsere Beweise vorgetragen und dann haben StubHub und Ticketmaster ihre abgegeben. Nach uns gab es einen Professor und einen Privatdetektiv, die dann auch ihre eigenen Nachforschungen darlegten - es wurde dann ziemlich schnell klar, dass sich etwas ändern muss. Mal sehen was jetzt passiert. Ich hoffe diese Karten-Bots gibt es bald nicht mehr; es bedarf noch mehr Nachforschung - wer steckt hinter diesen Webseiten, wer finanziert die? Das ist eine Milliarden-Industrie mittlerweile. Und im Endeffekt nehmen sie das Geld aus unserer Industrie und haben null Intention, dieses wieder dort auszugeben.

Man merkt, dass dir dieses Thema sehr wichtig ist.

Jap. Es gab sowas zwar schon immer, aber nicht in dieser Größenordnung; das nervt mich einfach. Manche Ticketwebseiten besitzen solche Weiterverkauf-Seiten und geben mit voller Absicht die Konzertkarten an diese ab, um mehr Geld aus den Fans rauszuholen.


Ich glaube, ich mache mir auch einfach Sorgen um neue Bands. Ich weiß noch genau wie schwer es vor über zehn Jahren für uns war, als wir anfingen... Selbst ein paar Leute zu lokalen Gigs zu bekommen war schwer, also keine Ahnung wie es heute ist! Ich weiß nicht mal, ob es noch lokale Musikszenen gibt, die sich entwickeln und wachsen, weil die ganzen Clubs, in denen ich früher gespielt habe, mittlerweile geschlossen wurden. Das ist traurig. Vielleicht gibt es da keine direkte Verbindung, aber es ergibt schon Sinn, das alles zusammenhängt. Man kann die Leute eben nur eine gewisse Zeit so finanziell ausnehmen, bis sie dann irgendwann aufgeben und etwas Anderes machen - auf das Konzert einer anderen Band gehen, oder einfach gar nicht mehr auf Konzerte gehen. Deshalb finde ich, dass wir hier auch in der Verantwortung sind, nicht nur gegenüber den Fans, sondern auch gegenüber der nächsten Generation von Musikern... Wir müssen etwas dagegen tun!
Ich hatte schon jetzt eine Karriere von 10 Jahren, das ist Etwas, das nicht mehr viele in der heutigen Zeit in dieser Industrie schaffen - und solange ich eine Plattform habe, werde ich diese nutzen um mich für Andere einzusetzen - Menschen, die viel für uns getan haben.


Gegen Ende der Petition haben Größen wie One Direction und Mumford & Sons ihre Fans dazu aufgerufen, zu unterschreiben. Andererseits war ich ziemlich enttäuscht, dass viele andere Künstler sich gar nicht dafür eingesetzt haben. Ich hab mich mit vielen in Verbindung gesetzt, aber ich glaube, es gibt da eine Art Angst im Business, vor Anbietern wie StubHub und Ticketmaster - beides riesige Firmen. Aber ich denke ich würde mich schuldig fühlen, wenn ich einfach nichts tue.

Was können wir vom neuen Album erwarten?

Wir haben hier und da ein paar Songs veröffentlicht, aber Swear ist schnell, rockig und voller Energie, etwas, das wir in den letzten Alben versucht haben zu perfektionieren. Wir sind alle aufgeregt und freuen uns; es hat lange gedauert, dieses Album in Nashville mit Jacquire King aufzunehmen. Er ist ein dreifacher Grammy Award Gewinner, also war es ein riesen Kompliment, dass er überhaupt Interesse hatte, unser Album zu produzieren.

Warum habt ihr Jacquire King als Produzenten gewählt und was hat er zum Sound beigetragen?

Meistens arbeiten wir mit Produzenten von Bands dessen Sound wir quasi versucht haben etwas zu re-kreieren. Jacquire hat tolle Alben mit Kings of Leon, James Bay und Norah Jones aufgenommen, aber für uns war das quasi eine geradezu verrückte Idee, jemanden wie ihn zu bekommen.
Um ehrlich zu sein wollten wir ihn schon für das letzte Album haben, aber wir dachten der geht ganz sicher nicht ans Telefon, wenn wir anrufen, also wollten wir uns nicht blamieren und haben es gelassen. Auch dieses Mal hatten wir eigentlich nicht vor, es zu versuchen, aber als wir es dann doch ans Telefon mit ihm geschafft haben, merkten wir, dass er unbedingt ein Rockalbum aufnehmen wollte, seit Jahren schon, er hat nur auf die richtige Band gewartet.
Er hat uns dazu motiviert, Rockmusik für uns neu zu definieren, unser Ding durchzuziehen. Er hat mir sehr dabei geholfen, mein Selbstbewusstsein wiederzufinden, denn auch wenn das letzte Album erfolgreich war, so haben das ganze Touring und allgemein die Veröffentlichung irgendwie an mir gezehrt. Aber Jacquire King ist wirklich ein guter Motivationssprecher, manchmal auch ohne viel zu sagen.

Also wart ihr etwas ausgebrannt, als ihr dieses Album angefangen habt aufzunehmen?

Naja, das Problem war eben, dass wir rein gar keine Musik geschrieben haben von 2013 bis 2015, einfach weil wir auf Tour waren. Ich hatte auch ehrlich gesagt keine Lust mehr und habe nicht wirklich darüber nachgedacht, aber als wir 2015 auf dem Isle of Wight Festival waren, saßen wir da und ich meinte “Ich brauche eine Pause. Ich muss herausfinden, ob ich das hier wirklich will.”

Und du hast herausgefunden, dass du das wirklich willst.

Hm, manchmal ist es die Abwesenheit einer Sache, die einen den Wert dieser aufzeigt. Also, es ist nicht so, dass ich es wirklich in Erwägung gezogen habe, You Me At Six zu verlassen, aber ich habe mich gefragt, ob ich mich wirklich mit der ganzen Logistik und Politik rumschlagen muss, die es eben gibt, wenn man in einer Band ist. Also haben wir quasi eine Pause gemacht. Ich weiß gar nicht mehr, wie es dazu kam, aber irgendwann hab ich mir meine Gitarre geschnappt und Dan, unser Drummer, hat ein Studio bei sich zuhause gebaut – dann waren wir drei oder vier Tage in der Woche dort und so hat das Album Stück für Stück Form angenommen.
Wir sind dann nach Nashville geflogen, aber hatten das Gefühl, dass wir noch nicht genug Songs zusammen hatten. Also ging es wieder heim für mehr Proben und Writing, und dann sind wir wieder nach Nashville. Dieses Album ist schon seit Juni 2016 fertig. Wir haben sehr viel diskutiert,ob das Album vor Weihnachten rauskommen soll, aber manchmal ist das Problem dabei, dass sich ein Album dann wie “Musik aus dem letzten “Jahr” anfühlt. Irgendwie alt. Also haben wir uns für ein frühes Januar-Release entschieden, damit es das Rockalbum des Jahres 2017 wird. Ich glaube nicht, dass ich über Weinachten viel Schlaf bekomme. Ich werde wahrscheinlich nachts verschwitzt aufwachen und mich fragen “Haben wir es gemacht? Haben wir es gemacht? Sind wir bereit?”

Wir haben gelesen, dass du eine Liste der Erfolge von You Met At Six erstellt hast. Da gibt es doch sicher viel, worauf du stolz bist?

Ja, viel Selbstlob war involviert. Aber es war auch das Fundament für das neue Album: Ansehen, was wir bisher geschafft haben und verstehen, was das bedeutet und wie selten es ist, dass Bands aus England so viel Erfolg haben. Der Grund dafür, dass wir alle etwas Zeit gebraucht haben (und wir haben uns eigentlich nur sechs Monate genommen), ist glaube ich, dass wir uns unsere bisherige Reise ansehen wollten und schätzen wollten, was wir bisher geschafft haben. Musiker zu sein, ist wie eine Achterbahnfahrt – eine coole Achterbahnfahrt. Ich hab mit 16 das College verlassen und zum Glück hat das für mich bisher gut geklappt. Aber habe ich je geglaubt, dass unsere Band Nummer 1 Alben haben würde? Dass wir Arenen spielen, oder die Main Stages bei riesigen Festivals? Wahrscheinlich nicht. Aber es ist wichtig, wertschätzen zu können, was man erreicht hat, weil das Dinge sind, die nicht jeder schafft, die nicht jeder Band passieren.
Um unsere Erfolge zu übertreffen, oder sogar sie nochmal zu erreichen, müsssen wir auf ein bestimmes Level mit unserem Songwriting kommen. Also haben wir es als Motivation gesehen. Wir wollten kein Album herausbringen, es sei denn wir sind 100% selbstbewusst, dass es das Beste ist, das wir je gemacht haben, deshalb hat es etwas länger gedauert, länger als wir uns gewünscht hätten und wohl auch länger als die Fans es gewollt hätten. Sie mussten jetzt drei Jahre warten, aber ich glaube, es war es wert. Ich hoffe, sie sehen das auch so.

Gibt es für die nächsten zehn Jahre eine Bucket List?

Naja, ich habe unseren Erfolg immer daran gemessen, was wir wann geschafft haben, wann welcher Meilenstein erreicht wurde. Aber mir ist jetzt klar geworden, dass eines unserer größten Leistungen der Fakt ist, dass wir seit über zehn Jahren in einer Band sind und immer mehr zusammengewachsen sind, das ist total selten. Ich glaube, es gibt keine Band, die damals zur gleichen Zeit wie wir angefangen hat die 1) immernoch Musik macht oder 2) das gleiche Line-Up hat.
Letztendlich war Langlebigkeit immer unser Hauptziel. Ich würde gerne in 10 Jahren immernoch auf Tour gehen, die Welt bereisen, vielleicht Reading & Leeds headlinen – ich hoffe wir bekommen den Anruf irgendwann. Aber keine dieser Dinge wird passieren, außer wir arbeiten hart. Und das ist das Wichtige, wir müssen konzentriert bleiben und den Spaß nicht verlieren. Denn wenn ich an die letzten zehn Jahre zurück denke, ist es ein wenig unheimlich, wie schnell die Zeit vergangen ist.

Januar 2017