Merchandise

Interview

null
US Rock-Band Merchandise sprechen über ihr neues Album “A Corpse Wired For Sound”, warum neun Tracks genug auf einem Album sind und warum ihnen dieses Mal Schatten wichtiger war als Farbe.

Euer neues Album “A Corpse Wired For Sound” stellt die Rückkehr von Merchandise als Trio dar – was hat euch dazu veranlasst?

Ein Zusammenspiel von vielen Faktoren – es war sehr schwer eine Band mit fünf Persönlichkeiten zusammenzuhalten und darauf zu achten, dass jeder die Aufmerksamkeit bekommt die er benötigt. Die Band als Quintett war mehr ein Konzept und weniger die Art und Weise wie die Band wirklich funktionieren soll und kann. Wir waren zu fünft zwei Jahre lang unterwegs – und zwei Jahre auf Tour sind quasi wie 10 Jahre zuhause. Man zerstört seinen Körper viel schneller und und man lebt „härter“ – wir haben uns an unsere eigenen Grenzen gebracht. Es ist einfacher das ganze kleiner und in einem minimalen Stil handzuhaben. Aber wer weiß - die Muse ist launisch!

Bezüglich des Line-Up changes meinte Gitarrist Dave Vassalotti „Wir wurden als Rock Band wiedergeboren nach After The End und sind direkt danach wieder gestorben.“ Stimmst du dem zu?

Ja. Ich finde es sehr lustig (lacht). Anfangs haben wir diese vorgefertigte Idee von Rock Bands angezweifelt. Wir haben unser Dasein als Punk-Rockers herabgewürdigt und haben unsere eigene Version von dem gemacht war uns interessiert hat. Die Idee, dass sich die Band verändern kann war war immer in unserem Plan – und ich denke, dass ist auch ganz natürlich für eine Band die es seit ca. 10 Jahren gibt: man muss sich anpassen und wachsen.

Wir wollten keine künstlerischen Grenzen und wollten uns auch nicht an dogmatische Grenzen halten wie die Band funktionieren soll. Wir waren es gewohnt Shows nur mit Gitarren zu spielen. Es war diese Idee das Konzept von Alternative Rock zu zerstören, die Idee das man alles zerrütten kann. Underground Music kann sehr (ver)urteilend sein und tendiert dazu schnell den Finger auf jemand zu richten aber es erkennt seine eigenen Dogmas nicht an. Ich erinnere mich noch bei unserem vierten Album habe ich mit einem Freund gesprochen und ihm erzählt, dass wir einen Schlagzeuger anheuern und er meinte „Ah,also startest du jetzt eine Band?“ (lacht) Ich fand es sehr lustig aber es war auch die Einstellung gegen die wir immer angekämpft haben. Die Motivation ist für mich immer Musik zu machen und Sterotypen zu durchbrechen.

Hattet ihr eine klare Idee wie das Album klingen soll?

Ich habe ein sehr politisches Album geschrieben um ehrlich zu sein. Ich war sehr politisch engagiert als ich jünger war. Ich bin in Florida aufgewachsen und dort gab es immer starke politische Spannungen. Das Album war also anfangs sehr politisch,weil die Welt schlicht den Bach runter geht, mit all diesen schrecklichen , rechten Ideologien die überall auftauchen. Im Endeffekt habe ich aber alles verworfen weil ich mir nicht vorstellen konnte diese Ideen musikalisch umsetzen zu können. Oder wenn ich es tun würde dann müsste es extrem allegorisch sein.

Also ging ich zurück zu eigenartigen, emotionalen, persönlichen Stücken obwohl ich immer noch finde, dass die Auswahl dieser Songs immer noch politisch ist. Ich hatte diesen riesigen Friedhof an Songs also begann ich schlicht übriggebliebene Songfragmente aufzusammeln und verwerten. Dave hat „I Will Not Sleep Here“ geschrieben und ich denke, dass ist vermutlich einer der komplexesten Songs den wir je geschrieben haben. Es sind eigentlich immer Dave und ich die, die Songs schreiben und wir refektieren was rund um und passiert. Ich bin dieses Jahr 30 geworden und das ist ein eigenartige Zeit. Ich habe vieles erreicht, dass ich wirklich erreichen wollte und jetzt habe ich neue Ziele und Dilemmas. Dieses Album ist vom Konzept her sehr abstrakt. Auch der Titel des Albums soll der abstrakt gesehen werden und wir vermutlich von jedem unterschiedlich interpretiert.


Der Titel kommt von einer Kurzgeschicht von JG Ballard, daher ein doch sehr politischer Referenzpunkt?

Ja vermutlich. Ich bin sehr fasziniert von Ballard, er spielt den Advokaten des Teufels für die Leute die zu viel in die Pornografie und den groben Teil seiner Arbeit hineinlesen. Es gibt Menschen die Kunst zerstören weil sie Künstler für die wahren Probleme der Welt verantwortlich machen. Ich habe „Vermilion Sands“ gelesen aber habe auch großen Gefallen an diesen komischen Geschichten gefunden die in Sci-Fi Hefte abgedruckt werden. Die Idee von Fragmentierung spielte eine große Rolle im Schreib- und Entstehungsprozess des Albums. Wir haben alles in kleine Stücke zerlegt und unterschiedlich wieder zusammengesteckt. Im Endeffekt ging es uns mehr um Farben und weniger um ein Konzept.

Es ist interessant, dass du Farben erwähnst,da die Farbe Grün doch zentrales Motiv bei After The End war.A Corpse Wired For Sound scheint viel dunkler zu sein.

Ja auf jeden Fall,es ist um einiges dunkler. Die Bilder handeln mehr von Schatten und Licht und weniger von den Farben. Aber ja, das letzte Album war ein sehr grünes Album,sehr üppig und vielversprechend. In den letzten zwei Jahren sind diese grünen Passgen verschwunden. Ich hatte das Gefühl mein Privatleben hat sich dramatisch verändert schlicht weil ich nicht mehr in Tampa bleiben konnte. Florida ist sehr satt und grün und ich bin nach New York und Berlin gezogen – beide Städte sind sehr hart und industrialisiert und voller Graffiti. Ich war immer schon sehr negativ also denke ich war es für mich um einiges leichter ein dunkles Album zu schreiben. Alle unsere Alben sind negativ, es gibt kein einziges ohne Negativität.

Eines der zentralen Themen ist das „Verstreichen von Zeit“, denkst du das hat etwas damit zu tun, dass du vor kurzem 30 geworden bist?

Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich habe all diese Dinge dem Zufall überlassen...ich denke manchmal ist es für mich schwieriger ehrlich zu sein als ich selbst zu sein. Wenn man Künstler ist möchte man komplett ehrlich sein aber, das kann ein sehr schwieriges Unterfangen sein wenn man inmitten einer persönlichen Phase steckt wo man gar nicht weiss was rund um einen passiert. Eine eigenartige Weise von mir Songs zu schreiben ist versuchen „blind“ zu sein, einfach sehr sehr sehr bekifft zu sein. Autor John Giorno sagt er liebt es super-stoned und betrunken zu schreiben da es viel überflüssigen Gedankenmist ausschaltet. Wenn man dann Tage später zurück blickt denkt man sich „Wow, was war dieser Moment vollkommener Klarheit?” und meistens kann man das gar nicht beantworten. Ich denke, dass ist ein Problem mancher meiner Freunde die keine Platten veröffentlichen – sie haben vieleicht Angst vor den Antworten.

“Right Back To The Start” hat dieses “Und täglich grüßt das Murmeltier”Gefühl, erinnert ein bisschen an Mitte 80er Depeche Mode. Gab es da einen Referenzpunkt?

Ja auf jeden Fall! Ich verehre all das. Auf unserem letzten Album haben wir uns so darauf fokusiert eine Live Band zu sein, dass ich nicht viel Gelegenheit hatte Dinge zu machen die wirklich Spaß machen. Popmusik ist sehr vielseitig aber wenn man elektronische Elemente verwendet – zumindest so wie wir es tun – kommt diese Seite von mir heraus. Es war mehr Soft Cell um ehrlich zu sein, aber es ist total Depeche Mode weil es zu viele Depeche Mode Reagge Songs gibt die meine Weise Musik zu hören sehr geprägt haben. Black Celebrations ist eine meiner Lieblingsplatten, also das wird für immer auftauchen und wenn ich es mir leisten kann teure Synths zu kaufen wäre es das einzige was ich tun würde.

Warum bist du so fasziniert von elektronischer Musik aus England?

Es gibt ein sehr cooles Interview von Daniel Miller, wo er über die kurze Periode spricht in der elektronische Musik aufregend war, späte 70er to 1981 – und danach gab es gute Bands aber alles fing irgendwie an zu sterben. So empfinde ich es zumindest. Ich stehe total auf die „alte Art“ wie Leute elekronische Alben produzieren – mit sehr rohen Sounds Pop Musik zu kreieren. Die Diskografie von New Order fasziniert mich sehr. Ich liebe es Weiterentwicklung zu hören, nicht nur mit New Order sondern mit jeder Band.

Es scheint momentan im Trend zu liegen Alben mit 14 Tracks und mehr zu veröffentlichen – euer Album ist dazu eine sehr willkommene Abwechslung.

Um ehrlich zu sein haben wir für dieses Album soviel Songs produziert wie noch nie bevor aber wir haben uns im Endeffekt auf diese neun beschränkt. Es gibt also viele B-Seiten und unveröffentlichtes Material. Aber Leute kaufen keine Platten mehr also macht es auch keinen Sinn eine Doppel LP zu veröffentlichen. Es fühlt sich an als würde jeder immer nur „Weiter“ klicken wenn er ein Album anhört. Ich persönlich mag es ein ganzes Album anzuhören, deshalb haben wir uns auch für diese Länge entschieden. Nach dem Motto die Leute hören sich diesen Schei* nur an wenn wir die anderen 10 Songs nicht hinzufügen. (lacht)

September 2016