Alicia Keys

Interview

null
Vier Jahre nach „Girl On Fire” ist Alicia Keys zurück mit dem wohl aussagekräftigsten Album ihrer bisherigen Karriere. Wir haben die gebürtige New Yorkerin zum Interview getroffen und über Selbstakzeptanz, unrealistische Schönheitsstandards und die HipHop-Einflüsse auf „HERE” geredet.

Herzlichen Glückwunsch zu ‘In Common’. Der Song hat so einen ganz anderen Vibe als deine älteren Werke.

Das liebe ich so daran.
Ich liebe, dass es anders ist, sich frisch und neu anfühlt. Ich liebe es, dass die Leute sogar sagen „DAS ist Alicia?!” - das ist bei „No One” passiert.
Auf dem Album geht es sehr darum, wer wir als Menschen sind, wer ich als Frau bin und wie das alles zusammenhängt mit dem was wir durchleben und was wir fühlen. Nachdem wir „In Common“ aufgenommen haben, gab es so einen Moment in dem wir abends das Studio verließen und uns dachten „Irgendwas ist da gerade passiert...”. Und das ist genau der Vibe, den ich von den Leuten kriege, wenn sie den Song hören. Dass das gleiche Gefühl, was wir im Studio hatten, an sie transportiert wurde.

Was können wir von „Here” erwarten?

Ihr werdet das Album lieben. Es ist mit Abstand das beste Album, das ich je veröffentlicht habe. Musikalisch und textlich gibt es viel zu entdecken – es ist eine abwechslungsreiche und emotionale Erfahrung, die ich teile und in der ihr ganz und gar versinken könnt.

Können wir uns auf Kollaborationen freuen?

Ich mache normalerweise nicht so viele Kollaborationen, ehrlich gesagt einfach weil wenn ich schon welche mache, ich da ganz authentisch sein will und nicht möchte, dass es nur ein PR Ding ist. Aber eventuell gibt es da schon ein oder zwei, auf die sich das Warten lohnt. (lacht)

Kannst du uns mehr über den kreativen Vorgang erzählen?

Das Album wurde fast vollständig in New York aufgenommen; das einfach der beste Ort um ein Album zu schreiben, weil es die beste Energie und richtige Vielfalt dort gibt.
Es ist außerdem meine Heimatstadt und ich liebe es, dort Musik zu erschaffen. Das Album hat definitiv den Puls von New York inne; diese Energie der Stadt, kompromisslos. Es war sehr aufregend, das Album aufzunehmen, weil es so anders ist.
Ich nenne es mein erstes Gemeinschaftsalbum, weil ich uns als Vierergruppe mit völlig unterschiedlichen Styles zusammengebracht habe. Wir, das sind ich, Mark Batson (Writer und Produzent), Harold Lilly (Writer) und mein Ehemann. Das war so nie geplant, hat sich dann aber einfach ergeben. Wir vier haben tatsächlich den Großteil des Albums zusammen geschaffen und es gab zwischen uns einfach so ein Gefühl der Einheit und des Zusammenhalts. Wir hatten großartige Gespräche und es ging alles so schnell und wir dachten uns nur „Wow, das ist verrückt!“. Es war ein guter Weg, um das Talent und die musikalische Intelligenz in der Gruppe ideal zu nutzen und etwas zu erschaffen was ihr so noch nie gehört habt, sich aber gleichzeitig sehr vertraut anfühlt.


Zwischen „Here“ und „Girl On Fire“ liegen vier Jahre. Wann hast du angefangen an „Here“ zu arbeiten?

Weißt du, es ist merkwürdig wie das manchmal so läuft. Du sagst es liegen vier Jahre zwischen den Alben, aber als das letzte Album rauskam, dauerte es zwei Jahre bis Promo und Touren durch waren. Dann ging es ein Jahr darum, das nächste Album aufzunehmen und dann bekam ich noch ein Baby und bevor man sich versieht, sind vier Jahre vergangen. Es fühlt sich nicht so an – aber irgendwie bin ich vier Jahre jünger geworden, das sind immerhin gute Neuigkeiten. (lacht)

Können wir über das „In Common“ Video reden und die Wirkung, die es hatte? Wir haben gesehen, dass du viele Videos repostet hast, in denen Fans zum Song tanzen!

Ja, das war richtig cool! Die Leute haben sofort angefangen Gitarre oder Klavier zu spielen oder dazu zu tanzen. Das war genial, deshalb habe ich auch angefangen die Sachen zu posten, weil ich es liebe, die Reaktionen und Interpretationen der Leute zum Song zu sehen.
Und das Video für ‘In Common’ liebe ich sehr. Die Message ist, dass wir alle unsere Fehler haben und auf unserem Weg alle ein wenig durcheinandergebracht werden. Das ist okay. Eine Zeile im Song bringt das deutlich hervor “Wenn du jemanden wie mich lieben kannst, musst du auch auch wenig verkorkst sein“ – das ist sehr bestärkend! Nicht nur ich fühle so, alle fühlen so! Das sieht man auch im Video mit sehr subtilen Messages und der Implikation, dass man perfekt ist, so wie man ist. Das ist etwas, was ich in letzter Zeit gelernt habe; einfach verstehen, und darüber lernen zu verstehen, wie man einfach nur man selbst ist.

Das ist auch etwas, das du auf dem Albumcover vermitteln wolltest und auch in dem Text, den du vor kurzem geschrieben hast, in dem es darum geht sich auch ohne Make-Up zu akzeptieren, weil diese ganzen Schönheitsstandards unerreichbar sind. Das ist so erfrischend!

Das ist es. Es gibt einfach so viel Bulls**t in dieser Welt, wirklich, und du fängst an zu realiseren „Wow, denke ich eigentlich tatsächlich, dass ich so aussehen muss oder mich so kleiden muss, um schön zu sein?“ Das ist meiner Meinung nach eine richtige Epedemie. Für Frauen, die mal Mädchen waren und Mädchen, die mal Frauen werden, da gibt es diese allgemeine Meinung darüber was eine schöne Frau ausmacht. Aber als Frauen sind wir Göttinnen, alle Stilrichtungen, Outfits, egal welches Aussehen und egal welche Farbe und ob wir Pickel, Narben und all solche Dinge haben. Wir haben die alle. Jeder hat sie. Das ist es, was einen glorreich macht.

Eine weitere Künstlerin, die dafuer bekannt ist ihre Meinung offen zu sagen, ist Miley Cyrus, mit der du ja auch am Set von “The Voice USA” arbeiten wirst. Das ist sicher sehr aufregend?

Definitiv. Weißt du, ich schätze das wirklich sehr an ihr. Das ist wichtig, einfach auch mal ganz unverblümt, geradeheraus ehrlich sein. Meinungsstärke ist etwas Gutes. Manchmal wenn ich eine starke Meinung vertrete, merkt man sofort wie die Leute es ablehnen oder mich dafür verurteilen; das ist sehr interessant. Social Media ist auf viele Weisen eine große Mobbing-Plattform, nicht immer, aber es kommt oft vor. Ich finde es extrem wichtig, eine Meinung zu haben. Es ist nicht so, dass man immer etwas sagen muss, aber wenn man es tut, ist das cool. Man muss nicht das Mauerblümchen sein, das sich denkt “Was, wenn ich etwas sage, das andere nicht mögen? Was, wenn die sich darüber aufregen?“. Wer sind “die” überhaupt? Das ist meine Frage.

Hast du dich früher dazu gezwungen gefühlt, dich anzupassen?

Ich denke schon. Es ist mir in dem Moment gar nicht aufgefallen; das merkst du gar nicht. Erst jetzt, wenn ich so zurueckblicke, merke ich, dass das echt interessant ist. Ich war in einer Situation, in der ich mich richtig zensiert gefühlt habe. Ich habe mich selber zensiert. Ich habe Interviews gegeben und wenn ich etwas gefragt wurde, habe ich immer versucht so zu antworten, dass es ja niemanden angreift. Natürlich moechte ich auch heutzutage nicht einfach irgendwen angreifen, aber gleichzeitig ist es wichtig, zu wissen wer man ist und was man denkt.
Damals wollte ich mich anpassen, aber jetzt habe ich die Bestätigung, dass ich das nicht muss. (lacht)
Ich glaube das ist einfach Teil des persönlichen Wachsens. Wir wachsen und verԴndern und alle ein bisschen jeden Tag und entdecken einen neuen Teil von uns selbst. Jeden Tag hat man die Chance zu sagen „Weißt du, das ist gestern passiert und ich weiß nicht, ob ich das gut fand. Vielleicht mache ich es morgen anders, versuche was Neues“. Das ist das coole am Leben, wir können uns verändern und Neues herausfinden.

Was gibt es Neues in Sachen Konzerte?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts bestätigt. Aber ich habe ein paar kleine Underground Shows gespielt, die wirklich total verrückt waren. Ich habe eine in London im Village Underground gespielt und eine in Berlin. Es war heftig – im guten Sinne. Das ist einfach was ich gerade machen will: heruntergekommene, versteckte, geheime, schwitzige Shows. Und die sind einfach toll. Also hoffentlich wird es davon bald noch mehr geben – die geben mir einfach eine unvergleichliche Energie.

November 2016