Nadine Shah

Interview

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Die Britin mit einem pakistanischen Vater und einer norwegischen Mutter hat sich bereits 2013 mit ihrem Debütalbum einen Namen als talentierte Songwriterin gemacht. Als ehemalige Jazzsängerin kombiniert Shah ihre frühen musikalischen Erfahrungen mit traditioneller Musik die sie von ihrem Vater kennt, mit Indie-Sounds um daraus ihren ganz eingenen Stil zu kreiren. Mit ihrem zweiten Album Fast Food wird sie ihrem Ruf als eine der herausragensten Songwritertalene Englands einmal mehr gerecht und erzählt pointiert und intelligent über die Kurzlebigkeit der Liebe und die Tücken des Älterwerdens.

So Nadine, wieviel Wahrheit steckt in der Sage des “schwierigen” zweiten Albums?

Das ist kompletter Blödsinn (lacht) Das schlimmste ist eher, dass jeder diese Phrase kennt und meine Freunde und meine Familie mich damit aufziehen. Man wird also nicht besonders unterstützt (lacht) Aber da ich ja schon ein Album gemacht hatte wusste ich das es einfacher sein wird – immerhin bewege ich mich auf einem bekannten Gebiet.

War der kreative Prozess in irgendeiner Art anders?

Ich glaube die Live Auftritte haben mich sehr geprägt. Ich hatte ein oder zwei Songs am ersten Album zu dem das Publikum immer total abging – das hat mich richtig süchtig gemacht. Ausserdem genießt es jede einzelne Person die mit mir auf der Bühne steht die lauteren Songs. Als ich das Album schrieb hatte ich das naürlich im Kopf – ich wusste welche Songs meine Band live gerne performen wird. Ausserdem hatte ich dieses Mal mehr Geld zur Verfügung deshalb haben wir das ganze Album in Ben Hilliers (Produzent, Gitarrist) Studio aufgenommen – und nicht nur Teile davon wie letztes Mal.

Was war der Startschuss zu Fast Food?

Der ganze Albumprozess hat mit begonnen als ich den Song Fast Food geschrieben habe, und jeder wusste das wird der erste Track am Album. Auch textlich gibt er den Ton an, denn das Album handelt von einer Reihe kurzlebiger aber sehr intensiver Liebesaffären. In gewisser Weise ist es auch ein Album über das Erwachsenwerden, ich verlasse langsam meine Zwanziger, ich werde ruhiger und zudem reflektiere ich mehr – vor allem was Beziehungen betrifft und die Idee die Vergangenheit mit anderen Leuten aufzuarbeiten.

Wenn man jemanden in seinen späten 20igern, 30igern oder 40igern trifft hat jeder bereits seine Erfahrungen gemacht. Wenn das nicht so wäre sollten die Alarmglocken läuten – also ich wäre zumindest sehr besorgt wenn jemand in diesem Alter noch nie verliebt war. Ein Song auf dem Album handelt davon diese Vergangenheit des anderen zu akzeptieren und auch die Angst die damit einhergeht. Ich glaube der Albumtitel reflektiert auch die Kürze in der das Album aufgenommen wurde .

Wielange hast du also daran gearbeitet?

Wir haben auf keinen Fall gehetzt, aber zum Beispiel mein erstes Album wurde 2013 veröffentlicht obwohl es 2010 fertiggestellt wurde – als es dann raus kam fühlte ich mich gar nicht mehr so richtig repräsentiert. Seit dem habe ich sehr viel geschrieben, und Songs angesammelt weil ich den ganzen Prozess für Fast Food beschleunigen wollten. Das Album haben wir jetzt innerhalb weniger Monate aufgenommen – also war es um einziges kürzer.

Als wir dich das letzte Mal interviewt haben, hast du Poesie Stunden genommen – machst du das noch immer?

Nein. (lacht)

Aber haben sie dir geholfen?

Ja um ehrlich zu sein wurde ich dadurch um einiges selbstbewusster was meinen Schreibstil angeht. Ich habe lange Zeit versucht kompliziertere Dinge zu schreiben, aber als wir in diesem Dichterclub unsere Arbeiten präsentiert haben wurde mir klar was für ein Blödsinn das ist. Es waren alles wundervolle Leute aber jeder hatte den selben Stil und alle Texte klangen irgendwie gekünstelt – ich habe keine Funken Ehrlichkeit gesehen in den Dingen die sie gesagt habe. Aber wie auch immer – das hat mir geholfen meinen Schreibstil weiterhin zu verfolgen.

Hast du irgendwelche anderen Hobbies die dir beim Songwriting helfen?

Ich nehme Tanzunterricht. Ich bin wie eine gelangweilte Hausfrau (lacht) Ich habe angefangen zeitgenössischen Tanzstunden zu nehmen, einerseits um etwas fitter zu werden aber auch weil es mir hilft auf der Bühne zu performen. Ich habe aufgehört auf der Bühne Klavier zu spielen, und jetzt fehlt irgendwie etwas zum anhalten und ich komme mir total idiotisch vor, ich weiß nicht so recht was ich mit meinem Körper anfangen soll. Diese Tanzstunden erlauben mir diese Berührungsängste abzulegen und ich fühle mich um einiges wohler auf der Bühne. Ich wusste nie was ich mit meinen Händen anstellen soll – und ich habe RIESIGE Hände. Es gibt sogar einen Song auf dem Album der „Big Hands“ heißt.

Auf deinem Debüt hast du hauptsächlich über verschiedene Charaktere geschrieben – Fast Food fühlt sich autobiografischer an. Was hat diesen Wandel verursacht? Mehr Selbstbewusstsein?

Möglicherweise. Dieses Album fühlt sich mehr wie ein Statement an. Ich zeige zum Beispiel auch mein Gesicht am Plattencover – das hätte ich früher nicht gemacht. Ich wollte ein sehr mutiges Statement mit dieser Platte machen, und wenn es dadurch ein persönliches Statement sein muss, dann ist das eben so. Ausserdem weiß ich nun mal am meisten über mein eigenes Leben – und ich denke man erkennt ob jemand ehrlich ist oder nicht. Wenn man über persönliche Erfahrungen singt hat man einen anderen Bezug zu den Songs - auch wenn man sie live performt.

Das Album ist von einer gewissen Ängstlichkeit durchzogen – kommt das von vergangenen Erfahrungen oder ist das noch Realität?

Das ist chronisch. Ich wurde sehr lange nicht diagnostiziert also dachte ich es ist ein Herzproblem. Dann unterzog ich mich einer kognitiven Behandlungstherapie, die helfen soll herauszufinden was diese Panikattacken auslöst. In Stealing Cars singe ich wie meine Ängste sich in meinen Träumen manifestieren.

Ist es unangenehm diese sehr persönlichen Songs live zu performen?

Ich spiele mein neues Album eigentlich viel lieber! Das Thema rund um mein letztes Album Love Your Dam and Mad war ziemlich erschütternd.

Ich meine jeder Song ist ein Portrait einer Person die ich geliebt habe und liebe, und viele meiner Freunde wissen bei manchen Songs genau um wen es geht – einfach weil gewisse Details es veraten. Das finde ich unangenehm, diese Songs live zu spielen fühlt sich ein bisschen an als würde ich meine – im sprichwörtlichen Sinne – schmutzige Wäsche vor anderen Leuten waschen. Gott sei Dank bin ich mit den meisten Menschen über die ich singe immer noch gut befreundet , das heißt ich habe sich vorher gefragt ob das für sie klar geht. Und ich denke insgeheim waren sie alle sehr geschmeichelt, dass über sie ein Song geschrieben wurde (lacht).

„Fool“ und „Washed Up“ klingen als würdest du mit jemanden abrechnen – wie wahrscheinlich ist es dass einige Ex-Freunde zusammgenzucken wenn sie den Song hören?

(lacht) Ja, auf jeden Fall! Einer ganz bestimmt, der Typ über den ich Fool geschrieben habe. Aber ich habe ihm eine Nachricht geschickt um mich zu entschuldigen. Er hat gelacht, als ich denke es ist ok.

Der Hieb über Nick Cave in Fool ist besonders gut.

Es ist eigentlich sehr ironisch gemeint – ich liebe Nick Cave, und das selbe gilt für Kerouac. Ich denke der Song wurde auch geprägt durch mein Leben im Osten von Londons, da ist man ständig von solchen Charakteren umgeben. Es ist diese Sache wenn du an einem solchen Ort wohnst, dich aber eigentlich „einzigartig“ sehen willst, und alle Dinge die dich so extrem nerven an den Leuten rund um dich findet man aber auch zu einem gewissen Grad in einem selbst. Im Sinne von – du wohnst auch hier also bist du nicht in der Position über andere zu richten.

In "Divided" und "Living" beziehst du dich auf die Erwartungshaltung deiner Eltern “dich im klassischen Stil” zu verhalten und den Freund zuhause bei der Familie vorzustellen. Sind das deine persönlichen Erfahrungen oder einfach soziale Erwartungen generell?

Beides. Es ist eine Kombination aus meinem pakistanischen und nord-östlichen Hintergrund. Man fokusiert sich so stark auf die „mütterlichen“Aspekte – man braucht eine stabilen Job und soll Kinder haben. Und viele meiner Freunde im Nord-Osten haben sich schon sehr jung niedergelassen also ja diese Erwartungshaltung gibt es.

Hast du irgendetwas dazugelernt während der Arbeit an Fast Food?

In persönlicher Hinsicht nicht. Wenn es um musikalische und technische Aspekte geht auf jeden Fall. Beim ersten Mal hat sich alles ein bisschen wie „des Kaisers neue Kleider“ angefühlt – alles hat sich glücklich zusammgenfügt. Jetzt fühle ich mich mehr wie eine selbstbewusste Musikerin und habe die Bezeichnung auch viel mehr verdient. Egal welchen Job man macht, wenn man den Punkt erreicht wo man das Gefühl hat man macht seine Sache gut, ist das ein wirklich gutes Gefühl.

Was ist der Plan für den Rest des Jahres? Festivals?

Ich spiele Latitude und End Of The Road Festival, und noch einige andere in Europa. Aber um ehrlich zu sein möchte ich dieses Jahr ein bisschen weniger touren. Auch wenn ich es liebe das Album zu performen möchste ich gleich direkt mit dem nächsten starten.

Hast du jetzt schon darüber nachgedacht?

Ja! Ich habe es schon fast fertig geschrieben. Es sind schon einige Monate vergangen seit dem wir Fast Food fertig gemixed haben, und ich nehme meine Job ernst – ich sehe es als einen Full Time Job. Ich schreibe jeden Tag – ausser am Wochenende. Also ich hoffe das neue Album kommt zu dieser Zeit nächstes Jahr auf den Markt.

Du hast erst kürzlich mit Musikern wie Ghostpoet und Maya Jane Coles zusammengearbeitet – gibt es noch mehrere Kooperationen in nächster Zeit?

Ja es gibt ein Projekt an dem ich arbeiten werde. Es wird aber unter einem anderen Namen veröffentlicht, mein Produzent Ben wird dabei sein und noch zwei Musiker die wir eingeladen haben – da darf ich aber noch nichts verraten. Einen von ihnen haben wir schon einige Male getroffe und waren auch auf ein paar Drinks. Er ist ein ziemlich guter Betrunkener – das ist sehr wichtig (lacht) Es geht nicht nur darum sich musikalisch zu verstehen sondern auch Leute zu finden die einen verstehen und mit denen man auch konzentriert über längere Zeit im Studio arbeiten kann.

Es wird vermutlich eine EP werden und ich weiß nicht ob wir damit touren... kommt darauf an wie gut es ankommt. Momentan schicken wir uns einfach gegenseitig Ideen und in ein paar Wochen werden wir vermutlich etwas aufnehmen...

April 2015